Ich stehe bei Kilometer 26 auf dem Kurs des Chicago Marathons und hole mal tief Luft. Neben mir ziehen Läufer vorbei und ich beginne wieder zu traben, sehr langsam. So hatte ich mir meinen 10. Marathon nicht vorgestellt. Aber von vorn …
Run Chicago Marathon
Der Chicago Marathon gilt als der schnellste Kurs in den Vereinigten Staaten. Der aktuelle Kursrekord von Dennis Kimetto liegt bei 2:03:45 h. Chicago ist außerdem einer der sechs World Marathon Majors. Nach dem Berlin Marathon 2014 und dem Boston Marathon 2016 hatte ich mich dank meiner 3:02er Zeit aus Hamburg für einen garantierten Startplatz qualifiziert und so flogen wir am Freitag früh von Berlin nach Chicago. Nachdem wir in unserer Unterkunft eingecheckt hatten, fuhren wir mit dem gratis Shuttle Bus auf die Marathon Messe im McCormick Place.
Die Messe war im Gegensatz zu Berlin und Boston sehr weitläufig angelegt und man hatte in der großen Halle viel Platz um sich zu bewegen. Ich hatte sehr schnell meine Startnummer und wir bummelten noch etwas über die Messe. Lustig war,dass man seine Herkunftsstadt auf einer großen Weltkarte mittels Pins markieren konnte. Das ließ ich mir natürlich nicht nehmen und setzte meinen Pin bei Klagenfurt.

Am Samstag findet traditionell der 5k in Chicago statt, bei dem sehr viele Läufer des Marathons auch teilnehmen. Ich war nicht angemeldet aber Thomas und Jens die ich von den AdidasRunners in Berlin kannte waren dabei und da noch einige andere ARs in der Stadt waren machten wir uns einen Treffpunkt nach dem Rennen aus. So finden sich Berlin, Hamburg, München, London, Dubai, Singapur auf den Bild vor der „Bean“ im Millenium Park.

Den Samstag verbrachten wir mit einer Hop on / Hop Off Tour durch Chicago und trafen Jens und Thomas nochmals bei uns im Hostel, welches eine gratis Carbo Loading Party mit Pasta anbot. Abends habe ich noch den Wecker auf 4.45h gestellt, da der Rennstart um 7.30h für die erste Welle anstand und ging dann früh ins Bett.
Der Renntag beginnt sonnig
Um 4.45h klingelte der Wecker, ich frühstückte und packte noch den Rest der Sachen in meinen Rennbeutel. Auf den paar Hundert Metern zum Start sah man schon massenweisen Läufer. Als wir an der berühmten Fontäne aus „Eine Schrecklich nette Familie“ ankamen wo auch die Kleiderabgabe war, ging gerade die Sonne auf und tauchte die Skyline in morgentliches Licht. Es war mit 16 Grad schon warm und der Wind hielt sich zurück.
Um 7.20h sprang ich in meinen Block und nach der obligtorischen Nationalhymne (The Land of the freeeeeeeeeeeeeeee) wurde um 7.30h die Startpistole abgefeuert. Nach nur knapp 2 Minuten war auch ich auf der Strecke. Gleich nach dem Start läuft man durch einen Tunnel und während man noch seinen Rhythmus findet wird einem dieser schon vom Geräusch der Schritte der Läufer quasi vorgegegeben. Die Strecke des Marathons kreuzt insgesamt fünfmal mal den Chicago River und auf den ersten 3 Meilen schon dreimal und gibt immer wieder tolle Blicke auf die Skyline frei.
Die ersten 5 Kilometer vergingen wir im Flug. Ich hatte meine 4:10min/km Pace gefunden und wir steuerten Richtung Norden dem Lincoln Park entgegen. Auch bei Kilometer 10 war noch alles auf Kurs und wir erreichten bei Meile 7,5 den Wendepunkt an dem es wieder in Richtung Stadt ging.

Es keinen Punkt an dem keine Zuschauer standen und die Läufer anfeuerten. Dazu bei jeder Meile eine Station mit Wasser und Iso, was besonders bei den warmen Temperaturen toll war. Bei Kilometer 17 erreichten wir das beschauliche Old Town mit seinen roten Backsteinhäusern und ich fühlte mich noch immer toll. Dann kam Kilometer 18 und ich spürte wie meine Energie nachließ. Es war so, als wenn ein Auto plötzlich nur noch im 4. statt im 5.Gang fahren könnte. Ich konzentrierte mich auf die Halbzeit Marke, denn irgendwo da sollte die Mietz stehen. Bei 1:30:35h passierte ich die Halbmarathon Marke, was etwas über meinem Plan war aber ich war zuversichtlich, dass eventuell noch aufholen zu können. Leider sah ich die Mietze nirgendwo aber sie hatte mich wohl gesehen.
When disaster strikes
Wir machten auf der Strecke einen Turn nach Westen und ich fühlte mich auch wieder etwas besser. Doch in etwa bei Kilometer 23 passierte es: Ein Läufer stieg mir unabsichtlich hinten auf den Fuß und dabei auch auf die Achillessehne. Er entschuldigte sich zwar und lief dann weiter, was ich auch machen wollte aber es ging nicht ohne Schmerzen. Also versuchte ich trabend wieder in den Rhythmus zu kommen was eher schlecht als gut gelang. Kilometer 25 kam in Sicht und langsam ging es wieder etwas besser. Mein Ziel von Sub 3 hatte ich schon etwas abgeschrieben aber ich wollte noch unter 3:10 ins Ziel kommen. Doch anscheinend war an diesem Tag einfach nichts drin.
Bei Kilometer 26 lernte ich den Asphalt Chicagos kennen, denn ein Läufer stellte mir ein Bein und ich fiel. Ich konnte den Fall zwar abfangen und mich etwas abrollen, aber da stand ich nun bei Kilometer 26 und war durch.
Ich versuchte wieder ins Laufen zu kommen aber der Punch war raus, dazu bekam ich auch nicht mehr komplett Luft, sondern es fühlte sich an, als wäre mein Lungenvolumen begrenzt. Ich lief noch bis Kilometer 29 und tat dann etwas was ich noch nie bei ’nem Marathon gemacht habe: Gehen!!! Zwar nicht lange aber ich brauchte diese 45 Sekunden und versuchte wieder voll Luft zu bekommen, während mich die Zuschauer an der Seite mit „Don´t give up“ und „You´re almost there“ nochmals zu motivieren versuchten. Das würden noch harte 12km werden.
Ich lief also wieder los, es fühlte sich einfach unglaublich langsam an und ich machte einfach kurze Gehpausen wenn ich sie brauchte und zählte die Kilometer runter. Die Skyline in der Nähe des Millenium Parks kam wieder in Sicht und ich dachte mir nur „Bald ist es endlich vorbei“. Ich schaute bei Kilometer 40 noch ob ich die Mietze irgendwo sah, aber leider hatte ich auch diesmal kein Glück. Bei Mile 26 geht es nochmals eine Brücke hoch und dann war es endlich da, das Ziel. Ich lief in enttäuschenden 3:24:45h ins Ziel. Ich bekam die Medaille umgehängt und setzte mich dann mit meinem Starterbeutel in die Sonne. Gefühlt war das leider der schlechteste Marathon, den ich bisher gelaufen bin, zeitlich dann nur der drittschlechteste. Trotzdem musste ein Finisherfoto noch gemacht werden:
Fazit
Der Chicago Marathon ist als einer der World Marathon Majors natürlich gut organisiert. Die Strecke ist schnell auch wenn sie für mich etwas oft dreht. Das Publikum ist toll. Chicago ist definitiv am Marathon Sunday voll dabei und unterstützt die Runner lautstark auch wenn der Boston Marathon für mich noch immer das Non plus Ultra bleibt. Den frühe Racestart (7.30h) für die erste Welle sollte man einberechnen, da man doch früh aufstehen sollte, allerdings ist die Gefahr dass es zu warm wird auch geringer. Und Chicago gibt Läufern, die in den letzten beiden Jahren einen 3:15h (3:45h für die Damen) unterboten haben, einen garantierten Startplatz. Die Anmeldefrist beginnt immer Ende Oktober für das nächste Jahr.
Bitte hinterlasse eine Antwort